Älplerchilbi 2015/2016
Gott die Ehre geben
An der Chilbi selber wird der Präsident nach alter Tradition morgens in der Frühe von den Beamten abgeholt. Er offeriert ihnen und den Ehrengästen bei dieser Gelegenheit ein «Zmorgä», bei welchem bereits die Blaskapelle aufspielt. Nach dem Frühstück stellt man sich nach traditionellen Vorgaben zum Festzug auf und marschiert unter den Klängen der Blaskapelle zur Kirche. Im Festgottesdienst will man Gott die Ehre geben und ihm danken «für die dem Bauernstand erwiesenen Gnaden und Wohltaten», so wie es in den Statuten der Bruderschaft festgeschrieben ist. Dieser Gottesdienst wird als Erntedankgottesdienst gestaltet und festlich umrahmt: Im Altarraum sind die Produkte der bäuerlichen Arbeit mit viel Liebe schön dekoriert zur Schau gestellt, ein Jodlerklub singt eine Jodlermesse, und seit einigen Jahren kann man am Schluss der Hl. Messe immer auch den Betruf hören. So bleibt dieses uralte Gebet der Alphirten im Bewusstsein sowohl der Älpler als auch der nichtbäuerlichen Bevölkerung erhalten, und die Gefahr wird gemindert, dass er in unserer hektischen Zeit auf den Alpen nicht mehr gerufen wird. Selbstverständlich steht während der Feier auf dem Altar die Statue des Hl. Wendelin aus der Gründungszeit der Bruderschaft.
Kontakt mit der Bevölkerung
Nach der Messe spendieren die Älpler auf dem Platz vor der Kirche einen Aperitif. Einerseits wollen sie damit die Bevölkerung dem alten Brauchtum näher bringen, anderseits aber auch ganz allgemein den Kontakt zwischen dem Bauernstand und den übrigen Einwohnern pflegen und vertiefen. Die Leute wissen diese Geste zu schätzen. Hier können sie aus nächster Nähe die einheimischen und zum Teil fremden Trachten bewundern, die von den Frauen und Älplerjungfern zur Schau getragen werden. Seit 1977 ist es üblich, dass die Gewählten und ihre Begleiterinnen in der Tracht zur Chilbi erscheinen.
Das Mittagessen im festlich geschmückten Saal vereinigt dann erstmals die Älplerbeamten mit allen Ehrengästen und Behördevertretern, von denen einzelne wegen anderweitiger Verpflichtungen erst jetzt zur Festgemeinde stossen können. Hier begrüsst der Älplerpräsident offiziell die Beamten und die Ehrengäste mit Begleitung.
Die Wilden und die Sprüche
Nach dem Mittagessen formieren sich alle zu einem Festzug und ziehen zum Schulhausplatz, um zusammen mit der Bevölkerung die Sprüche der Wilden anzuhören. In den letzten Jahren ist dieser Aufzug manchmal erweitert worden durch einen Umzug mit einem Senten Vieh und mit Wagen, auf denen bäuerliches Brauchtum dargestellt ist. Die Sprüche der Wilden werden umrahmt von den Darbietungen der Blaskapelle, eines Jodlerklubs und der Fahnenschwinger. Bei den Sprüchen werfen sich die Wilden gegenseitig die Fehler, die Sünden und all die Dummheiten vor, die während des vergangenen Jahres im Dorf passiert sind. Sie tun dies in gereimter Form, wobei die Pointe wenn immer möglich wie bei einer guten Schnitzelbank an den Schluss des Reimes gesetzt wird. Seitdem die Älplerchilbi an einem Samstag gefeiert wird, verfolgen bedeutend mehr Leute das Geschehen im Ring, wo die beiden Wilden nach den Sprüchen so umständlich wie möglich einen Käselaib vor den Ehrenprediger zerren, um ihm für die Predigt bei der Messe zu danken.
Was haben die beiden Wilden an der Älplerchilbi für eine Bewandtnis? Der Mann heisst Läsi und das Weib Hudee oder Hudi. Man weiss soviel, dass sie seit jeher an den Älplerfesten dabei waren und ihre Spässe trieben. Manche Volkskundler nehmen an, dass die beiden Figuren Überbleibsel jener keltischen Urbevölkerung darstellen, die im Frühmittelalter bei der Landnahme durch die Alemannen in die Berge hinauf verdrängt worden sind und dort als «Wilde» hausten. Diese Wilden hätten den neuen «Herren» jeweils bei der Arbeit geholfen und seien zum Dank dafür zu den Älplerfesten eingeladen worden. Nach dem Aussterben der wilden Heidenleute hätten sich dann zur Erinnerung an die alten Zeiten zwei junge Burschen als Wilde verkleidet und die Rolle als Spassmacher übernommen. Andere vermuten, die Wilden seien nichts anderes als die Verkörperung der Bergmännchen, die in unseren Sagen weiter leben.
Nach den Sprüchen wird im Schulhausareal eine kleine Wirtschaft geführt,
um die Bevölkerung noch etwas länger an der Chilbi teilhaben zu lassen, dies wiederum im Sinn einer vertieften Integrierung des alten Brauchtums in der Bevölkerung.
Nachtessen und Ausklang
Das Nachtessen vereinigt nochmals alle zum letzten festlichen Höhepunkt der Älplerchilbi, wobei auch der Pfleger der Älplerbruderschaft nicht fehlen darf. Viele Dorfbewohner haben sich für dieses Nachtessen ihre Plätze reservieren lassen und nehmen auf eigene Kosten daran teil. Die folgenden Stunden gehören vor allem den Jungen. Abgesehen von einem Unterbruch um Mitternacht, wo die Wilden noch einmal die Sprüche vortragen und wo die mit Spannung erwartete Ziehung der Tombola stattfindet, wird bis in die Morgenstunden hinein getanzt. Es gibt keine Statistik über die Zeiten und Stunden, wann die ersten und wann die letzten Älpler und Älplerinnen jeweils den Heimweg angetreten haben.
Quelle: Festschrift 175 Jahre Älplerbruderschaft Alpnach
Autor: Otto Camenzind